Rückverfolgbarkeit: eine Notwendigkeit
Wenn Marken sicher sein wollen, dass ihre Lieferkette nachhaltig ist, sollten sie wissen, woher ihre Produkte stammen, wer sie unter welchen Bedingungen hergestellt hat und wie sie sich auf die Umwelt auswirken.
Komplexe Lieferketten gehen oft mit einer mangelnden Rückverfolgbarkeit einher, was wiederum die Optimierung der Nachhaltigkeit erschwert. Um einen Zusammenhang zwischen der nachhaltigen Beschaffungspolitik und -praxis des Unternehmens und der tatsächlich optimierten Nachhaltigkeit der Lieferkette nachweisen zu können, ist ein umfassendes Wissen über die Lieferkette erforderlich.
Eine verbesserte Rückverfolgbarkeit bringt mehrere Vorteile:
- Marken und Einzelhändler können Angaben über Produkte und Praktiken validieren und ihre Kunden darüber informieren.
- Endverbraucher können der Herkunft eines Produkts vertrauen. Sie vertrauen daher auch der Marke und bleiben ihr treu.
- Landwirte können Verträge ohne größere Hürden abschließen und erhalten besseren Zugang zu Märkten und zu Dienstleistungen, etwa zu Finanzierungsmöglichkeiten und Fortbildungsmaßnahmen. Durch eine nachvollziehbare Zertifizierung erhalten sie außerdem eher Preisprämien.
- Die Lieferanten sehen ein höheres Maß an Vertrauen, können ihren Umsatz steigern und verfügen über eine stabilere Beschaffung. Rückverfolgbarkeit verbessert auch das Lieferkettenmanagement.
Die meisten Unternehmen, die nachhaltige Baumwolle beziehen, arbeiten mit Zertifizierungsstellen zusammen, die über Erfahrung in der Einhaltung ihrer Pflichten in Bezug auf Beschaffung und Rückverfolgbarkeit verfügen. In Kombination mit einem Due Diligence-Ansatz ist dies ein sehr guter Weg zur Gewährleistung eines nachhaltigen Beschaffungsprozesses.
Rückverfolgbarkeitsmodelle einfach erklärt
Unterschiedliche Nachhaltigkeitsprogramme verwenden auch unterschiedliche Rückverfolgbarkeitsmodelle mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Unternehmen, die ihre Lieferkette rückverfolgen möchten, verwenden wahrscheinlich eines der folgenden Modelle:
- Identitätssicherung
- Massenabgrenzung
- Massenbilanz
- Zertifikatshandel /„Book and Claim“
1. Modell: Identitätssicherung
Methodik
Dieser Ansatz ermöglicht die Rückverfolgbarkeit bis zu einem einzigen Ursprung, von einem Landwirtschaftsbetrieb oder -verband bis hin zur Egreniermaschine oder zum Endverbraucher. Jede Charge, Partie, Menge oder Lieferung eines zertifizierten Produkts wird separat behandelt. Dieses Produkt wird in der gesamten Lieferkette physisch von anderen zertifizierten oder nicht zertifizierten Produkten getrennt, ebenso wie die dazugehörige Dokumentation.
Bei diesem Modell dürfen in der Lieferkette zu keinem Zeitpunkt nicht zertifizierte Produkte beigemischt werden.
Beispiele
Bio-Baumwolle; BCI: vom Bauernhof bis zur Egreniermaschine; Cotton made in Africa (CmiA): Rückverfolgbarkeit von der Egreniermaschine (Baumwollballen) bis zum Endprodukt; Fairtrade-Baumwolle: klassisches Modell; Fairtrade-Massenbilanzprogramm: bis zum Spinnereitor; myBMP: vom Bauernhof bis zur Spinnerei.

2. Modell: Massenabgrenzung
Methodik
Bei der Massenabgrenzung wird das zertifizierte Produkt entlang der gesamten Lieferkette physisch von dem nicht zertifizierten Produkt getrennt. Zertifizierte Produkte verschiedener Hersteller dürfen gemischt werden, häufig begleiten jedoch Unterlagen mit Angabe der Herkunftsregion oder des Herkunftslandes diese Produkte. Alle Hersteller müssen die Zertifizierungsstandards einhalten.
Beispiele
Standards von Textile Exchange; Better Cotton Initiative (BCI) – Physische Trennung bis zur Bildung von Baumwollballen; Fairtrade International – Produktsortierung für Baumwolle, Bananen, andere frische Früchte, Kaffee, Blumen, Nüsse, Reis, Gewürze; Cotton made in Africa (CmiA): Physische Trennung bis auf Spinnereiebene.
Forest Stewardship Council (FSC) – “FSC Pure Products”; Roundtable for Sustainable Palm Oil (RSPO) – RSPO Segregated System; Marine Stewardship Council (MSC)

3. Modell: Massenbilanz
Methodik
Beim Massenbilanzmodell werden Produkte zertifizierten, nachhaltigen Ursprungs und Produkte aus nicht nachhaltigen Quellen gemischt. Entlang der gesamten Lieferkette werden dann die jeweiligen Volumenverhältnisse genau beibehalten. Hierbei wird die Menge des zertifizierten Produkts, das in den Betrieb gelangt, kontrolliert. Später kann die gleiche Menge des Produkts, das den Betrieb verlässt (abzüglich etwa 20 % Streuverlust durch Verarbeitung), als zertifiziert verkauft werden.
Beispiele
Better Cotton Initiative – Massenbilanzmodell ab Weiterverarbeitung der geernteten Baumwolle zu Garn; Fairtrade International – Massenbilanz für Kakao, Zucker, Baumwolle und Saft; Cotton made in Africa (CmiA): Massenbilanz ab Spinnerei.
Forest Stewardship Council (FSC) – FSC volumenbasiertes System; Roundtable for Sustainable Palm Oil (RSPO) – RSPO Massenbilanzsystem; UTZ Certified – Massenbilanz-Rückverfolgbarkeitsprogramm

4. Modell: Zertifikatshandel oder „Book and Claim“-Modell
Methodik
Bei diesem Modell bewegen sich zertifizierte und nicht zertifizierte Produkte frei entlang der Lieferkette. Nachhaltigkeitszertifikate oder -guthaben werden am Anfang der Lieferkette von einer unabhängigen Vergabestelle ausgegeben und können von Marktteilnehmern gekauft werden – in der Regel über eine Plattform für den Handel mit Zertifikaten oder Guthaben.
Dieses Modell bietet handelbare Zertifikate für zertifizierte Produkte. Die Zertifizierung steht nicht in direktem Zusammenhang mit dem zertifizierten Produkt, sondern belohnt eine verantwortungsvolle Produktion. Sie ermöglicht den Verkauf von Ausgangsprodukten mit einer Guthabenforderung, die der Menge der zertifizierten Eingangsprodukte entspricht.
Beispiele
Bonsucro – Guthaben-Handelssystem (Block and Claim); RSPO – Book and Claim-System; UTZ Certified – Trading & Traceability-Programm in Zusammenarbeit mit RSPO
